Brief an die Menarche und die Menstruation –

Liebe Menstruation, obwohl wir uns jetzt lange kennen, habe ich mich dir noch nie anvertraut. Du kamst ganz plötzlich in…
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Liebe Menstruation,


obwohl wir uns jetzt lange kennen, habe ich mich dir noch nie anvertraut. Du kamst ganz plötzlich in mein Leben. Ich war 14, aber noch ein Kind und wollte nichts von dir hören. Du hast mir einen der größten Schrecken meines Lebens verpasst, denn auf dich war ich sehr unvorbereitet.

Wie konntest du nur einfach so reinplatzen?

Natürlich war ich in der Schule, natürlich hatte meine beste Freundin noch keine Erfahrung mit dir und natürlich war gerade Mittagspause. Schließlich musste ich eine andere Freundin anrufen und sie bitten, sich so schnell wie möglich wieder auf den Weg zur Schule zu machen, um mir Hilfe zu leisten. Als die Freundin endlich ankam, gab sie mir das nötige, um mich zu versorgen. Du warst die Wunde, ich brauchte ein Pflaster. Mehr hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht verstanden. Die Freundin nahm mich mit auf den Schulhof. Wir unterhielten uns im Laufen. Ich war von deinem unangekündigten Besuch dermaßen erschüttert, dass ich ihre Worte kaum hören konnte. Alles vermischte sich in meinem Kopf und ich musste mich anstrengen, ihren Worten zu folgen. Ihre Mutter hatte ihr anscheinend vieles über dich beigebracht. Da meine Mutter dich gar nicht mochte, hatte sie dich kaum erwähnt. Sie machte sich nur Sorgen, weil ich schon etwas „älter“ war und dein Besuch doch irgendwann kommen musste. Jedenfalls betrachtete ich dich ab deinem ersten Auftreten als eine sehr unglückliche Begleiterscheinung des Frau-Seins.

Ich hasste dich nicht, allerdings hätte ich dich sehr gerne ganz ignoriert.

Aber das hast du nicht zugelassen und zeigtest das durch unglaublich schmerzhafte Krämpfe. Da habe ich dich doch verabscheut. Jeden Monat begegneten wir uns wieder in einer Atmosphäre des Misstrauens und Negativität. Jeden Monat kamst du – und du warst immer pünktlich, das muss man dir lassen – und wir redeten einfach nicht, wir schauten uns nicht mal an. Weder du noch ich wussten, warum wir da sind. Eine sinnlose Situation, die Jahre lang andauerte. Auf diese Jahre blicke ich jetzt wie auf eine Wüste zurück. Es war einfach nichts zwischen uns, lediglich eine unglaubliche Leere und gegenseitige Unwissenheit.

Ich glaube, du warst diejenige, die mich unbedingt kennenlernen wollte und nie aufgab.

Du hast alle mögliche Tricks benutzt, um die Aufmerksamkeit auf dich zu lenken. Du hast mich sogar krank gemacht. Zwar nicht allzu sehr, aber genug, um mir zu zeigen, dass unsere Beziehung nicht in Ordnung war. Und du wurdest auch immer stärker und schmerzhafter. Du schriest buchstäblich nach Liebe. Also machte ich mich auf die Suche und kam auf Kulmine. Unsere Beziehung änderte sich dadurch schlagartig und ich erkannte, dass du doch nicht aus Egoismus gehandelt hattest. Du wolltest nicht, dass ich mich nur um dich kümmere. Nein, du wolltest, dass ich mich liebe, dass ich meine Weiblichkeit umarme, dass ich mich engagiere, dass ich bewusster werde: im Umgang mit mir selbst, mit meinen Mitmenschen und der Umwelt. Kaum zu glauben, dass Stoffbinden, das alles verursachen können, aber in der Tat war es so.

Liebe Menstruation, du kannst dir nicht vorstellen, wie ich dich jetzt liebe und mich jeden Monat auf deinen Besuch freue.

Ich kann nicht glauben, dass wir so lange kein Wort miteinander wechselten. Es erscheint mir plötzlich so fremd und ich habe den Eindruck, dass wir dadurch wertvolle Zeit verloren haben. Auch deshalb genieße ich jeden Moment unserer jetzigen Beziehung. Endlich verbinde ich auch Positives mit dir! Du bist einfach die Beste, um runterzuschalten und an mich zu denken.

Du hast mir erklärt, dass das Leben durch zahlreiche Zyklen, Veränderungen, Höhen und Tiefen gekennzeichnet ist und dass ich lernen kann, das zu schätzen. Du hast mir gezeigt, dass du keine Wunde, keine Schande, kein Tabu bist, sondern Teil des Lebens. Dafür danke ich dir vom Herzen.

Bis bald meine treue Freundin,
deine Luise

Luise
Luise Haynau ist Kulturwissenschaftlerin, liebt Sprachen und Literatur und interessiert sich zunehmend für das Thema Frauengesundheit und Frau-Sein allgemein. Wenn Luise nicht liest, dann bäckt sie, kocht oder faltet Origami! Dabei hört sie sehr gerne die Musik von Amy Macdonald.
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