Wie es zu Lins Geschichte kam

Entstanden ist es gemeinsam mit Mela Kühnlein und der gesamte Prozess zog sich über fünf Jahre. Aber der Moment, der alles in Gang setzte, lag mitten im Referendariat. Und das kam so …
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Meine Erfahrungen im Referendariat finde ich (trotz Hadern) bis heute wertvoll. Unter anderem wegen meines ersten Buches „Lin und das Geheimnis des Zyklus“. Entstanden ist es gemeinsam mit Mela Kühnlein und der gesamte Prozess zog sich über fünf Jahre. Aber der Moment, der alles in Gang setzte, lag mitten im Referendariat. Und das kam so …

Wie es begann

Einer meiner Mitreferendarinnen hatte ich von meiner Arbeit bei Kulmine erzählt und auch von den Beratungen zu Menstruation und Verhütung. Sie gab das an ihre Schwiegermutter weiter, die Grundschullehrerin ist und diese wiederum fragte bei mir an, ob ich für die Mädchen von zwei Grundschulklassen einen Vormittag „zur Aufklärung“ machen könne, OHNE, dass es um Sex ginge. Denn das wäre zu schwierig, von den Eltern die Zustimmung dafür zu bekommen. Die Ausrichtung sollten die Entwicklungen am Anfang der Pubertät und die erste Menstruation sein.

Eigentlich hatte ich keine Zeit dafür, aber ich wusste sofort: Das mache ich! Und so entstand zwischen Unterrichtsentwürfen und dem üblichen Chaos im Lehrer:innenzimmer der Anfang, der Kern von dem Buch. Ich erstellte eine mehrseitige Übersicht mit einfachen Zeichnungen und kurzen Texten, sodass Viertklässler:innen sie gut lesen konnten.

Und dann hatte ich den wunderbarsten Tag mit diesen Mädchen, den man sich nur vorstellen kann. Zwischendrin fragte ich, ob wir nun eine Pause machen sollen – „NEIN!“ war die Antwort. Alle waren sich einig, dass sie nebenbei ihr Brot essen würden, ich solle nur weiter reden! Jede Inputrunde von mir wurde weitergeführt in einer anonymen Fragerunde. Alle schrieben Fragen zu dem jeweiligen Thema auf – wer keine Fragen hatte, schrieb „Ich hab keine Fragen“ auf den Zettel. Die Fragen beantwortete ich dann alle und immer wieder entstanden daraus kleine Gespräche und echter Austausch. Aus den anfangs stillen und durch das Thema eingeschüchterte Mädchen wurde eine lebendige Stimmung, in der auch über das gesprochen werden konnte, das sonst peinlich war.

Die abschließenden Fragezettel habe ich immer noch und gucke sie mir ab und zu an. Es ist immer wieder berührend zu lesen, wie sich die Angst der Mädchen zum Ende gewandelt hatte, dass Angst vor der ersten Menstruation auf diese Weise gelöst werden konnte: Durch einen Tag, die Informationen, die ich vermittelte und durch die gemeinsamen Gespräche und Offenheit der Mädchen.

Was nach dem Workshop passierte

Im Gespräch mit Petra und Mela (melamint.de) (die damals Designerin bei Kulmine war und auch sonst für alle Projekte die Fäden in der Hand hielt) entstand die Idee, aus dem Skript ein Büchlein zu machen. Obwohl Petra schrieb, dass sie noch nie etwas so Schönes für junge Mädchen gelesen hatte zur Menstruation, konnte ich mir da noch nicht vorstellen, dass ein echtes Buch daraus werden könnte. Also wurde eine Broschüre gestaltet von Mela und mir. Aber immer fehlte da was, immer fühlte es sich nicht ganz passend an.

Bis ich mit einer Filmemacherin in Kontakt kam, die in ihrem Film zur Menstruation die personifizierte Menstruation als kleine Figur auftreten lassen wollte, um die Sachinformationen zu vermitteln. Und durch diese Idee bekam ich Besuch von einem anderen kleinen Wesen: einer Fee! 

Mit einem Mal war es ganz klar: Eine Fee würde einem Mädchen die Informationen bringen, die bisher in der Broschüre existierte. Um die Broschüre herum entwickelte sich nun die Geschichte. Und damit trat Metalina in mein Leben, mit all ihrer chaotischen Energie, ihrer Nervosität beim Sprechen, ihrer Unerfahrenheit beim Vermitteln von Wissen – und Lin, die Angst hatte vor all dem, was mit der Pubertät kommen würde, die nicht wollte, dass ihre Brüste wachsen, die neugierig war, aber eben gleichzeitig auch lieber einfach weiter ein Kind wäre…

Erste handschriftliche Skizzen zum Buch
Die ersten Zeilen von Lins Geschichte – damals noch mit einem sehr anderen Titel!

Beim Schreiben hatte ich mehrere Ziele, die mir sehr wichtig waren: Es sollte eine Geschichte sein, die Angst durch Wissen nahm. Sie sollte sich selbst dabei nicht zu ernst nehmen und witzig sollte sie auch sein – in dieser Beziehung hatte ich das große Glück, dass Metalina und Lin ihren ganz eigenen Humor mitbrachten!
Außerdem wollte für einige Themen eine ganz neue Sprache gefunden werden, denn die etablierten Begriffe sind in vieler Hinsicht überkommen. Deswegen findet man Wörter wie Vulvina, Vulvalippen und Venusknochen in dem Buch – statt Scheide, Schamlippen und Schambein.

Die „Fertigstellung“ von Lins Geschichte

Als alles geschrieben war, das geschrieben werden wollte, ging es ans Überarbeiten der Texte. Dabei erinnerte ich mich immer wieder an den Moment, der all das initiierte: Als die Mädchen vor mir saßen und nicht wussten, was auf sie zukommt, mit der Pubertät und dem ersten Bluten. Und denen das Wissen fehlte, um auch nur irgendwas anderes zu fühlen außer Sorge und Angst und, wer Glück hatte, noch ein bisschen Neugier. Für sie entstand die Geschichte.

Endlich, endlich war der Text „fertig” (ich setze es in Anführungszeichen, denn zum Glück wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, wie viel Arbeit ich noch in den Text reinstecken würde!)  – und dann ging die nächste Phase der Arbeit los: Die Bilder wollten gemalt werden! Klar war: Lin und Metalina sollten der Fantasie der Leser:innen überlassen werden, nur die Sachinformationen sollten bebildert werden. Die ursprünglichen Bilder der Broschüre passten vom Stil her nicht mehr zu der Geschichte, weshalb auch hier sehr viel geändert und angepasst wurde. Und nur durch die unermüdliche Arbeit von Mela konnten die zu den Bildern gehörenden Sachtexte zu dem werden, was sie heute sind. Denn anders als bei der Geschichte brauchte es hier eine klare Struktur und Deutlichkeit! Auch die Illustrationen sind liebevoll von ihr kreiert worden – bis auf die Hand der Göttin, die basierend auf einer Idee von Anna Penner gestaltet wurde. 

Als Text, Bilder und Sachtexte fertig waren, folgte das lange, lange Abwägen: Selfpublishing oder das Manuskript an Verlage verschicken? Nach einer Recherche war ich davon ausgegangen, dass es sich nicht lohnen würde, das Manuskript an Verlage zu schicken. Heutzutage ist es zunehmend üblich, den Kontakt zu Verlagen mit der Zwischenstation über Literaturagent:in zu gehen – das ist, was man liest. Aber eine Bekannte ermutigte mich, sehr sorgfältig ausgesuchte Verlage anzuschreiben, die zu der Ausrichtung von Lins Geschichte passten. Und so beschloss ich, genau fünf Verlage anzuschreiben.

Der Weg zum Verlag

Nachdem diese nach viel Recherche ausgesucht wurden, fing die nächste Phase an. Denn nun hieß es, ein Exposé, eine Vita und eine Konkurrenzanalyse zu schreiben. Mein Widerstand dazu war so groß, dass ich am Ende mehrere Menschen bat, sich neben mich zu setzen, sodass ich die verschiedenen Texte schließlich schreiben konnte. Die oben genannte Bekannte ist Lektorin und hatte angeboten, das Exposé durchzulesen. Tief dankbar nahm ich das Angebot an und passte es entsprechend ihrer Empfehlungen an. Und schließlich konnte ich nur noch eine Sache tun: Probekapitel, Expose und alles andere ausdrucken und die dicken Papierstapel verschicken. Jeder Umschlag bekam einen Cuterus-Aufkleber und dann ab die Post!

Drei bis sechs Monate muss man auf Rückmeldungen warten, hieß es. Nach etwa einem Monat kam die erste und wirklich sehr nett geschriebene Absage und kurz danach noch eine. Die drei anderen Verlage meldeten sich nicht. Doch nur bei einem fand ich die fehlende Meldung schade. Das war der Stadelmann-Verlag (stadelmann-verlag.de). Weshalb ich beschloss, einfach mal per Mail nachzufragen. Und dann geschah das Wunderbare: Sie schrieben, dass sie sich am nächsten Montag melden würden. Das war ja schon mal keine Absage, dachte ich – und pünktlich zum Montagmorgen kam tatsächlich die Nachricht, dass der Verlag Interesse an dem gesamten Manuskript hatte: Sie wollten das Buch publizieren! Es folgten viele E-Mails und Absprachen und schließlich die Unterzeichnung des Autorinvertrages.

Die Suche nach dem passenden Titel und Titelgestaltung fanden dann Anfang dieses Jahres statt – nun ging das Buch durch ein Lektorat und auch die Bilder entwickelten sich nochmal weiter. Doch darum wird es dann in Teil 2 gehen. :)

Lins Geschichte kannst du überall im Buchhandel und bei Kulmine kaufen: Klick!
Neben Einblicken ins Buch und einem Probekapitel gibt es außerdem einen Zykluskalender zum Herunterladen.

Zeichnung eines aufgeschlagenen Buches vor bunten Hintergrund
Nina Hanefeld
Nina Hanefeld ist Autorin und Beraterin. Seit bald 15 Jahren berät sie mit Freude und Einfühlungsvermögen zu Menstruation, Verhütung und Gesundheit. Die Vermittlung von unterstützendem Wissen ist ihr eine Herzensangelegenheit.
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1 Kommentieren

Katharina Rolle 30. October 2020 - 9:16

Ich danke für diesen detaillierten Einblick in die Entstehungsgeschichte des Buches! Das macht zum Einen Lust auf das ganze Buch und zum anderen Mut, dass es auch heute noch möglich ist, Bücher über einen Verlag zu publizieren. Ich freue mich auf Teil 2 der Blogserie!

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