Feministische Unternehmensführung aus Leidenschaft • Petra Sood

Als ich zum ersten Mal (zusammen mit Rosi Weber von Biogarten) Stoffbinden aus den USA gesehen habe, gab es in Deutschland noch keine alternativen Menstruationsprodukte zu kaufen – außer Levantiner Schwämmchen beim Frauengesundheitszentrum Berlin.
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Als ich zum ersten Mal (zusammen mit Rosi Weber von Biogarten) Stoffbinden aus den USA gesehen habe, gab es in Deutschland noch keine alternativen Menstruationsprodukte zu kaufen – außer Levantiner Schwämmchen beim Frauengesundheitszentrum Berlin. Ich war wie elektrisiert: Das war die Möglichkeit, den weiblichen Körper wertzuschätzen und Abfall zu vermeiden!

Was hat dich im Anschluss daran dazu bewegt, Stoffbinden zu produzieren und zu verkaufen?

Rosi war genauso begeistert wie ich. Mit Ihrem Großhandel für Naturwaren bot sich die Grundlage zur Vermarktung.

Ich war als Seminarleiterin im Bereich der Frauengesundheit tätig, vor allem zum Thema Kraft des Beckenbodens und der weiblichen Organe. So habe ich schnell die Wichtigkeit der Stoffbinden erkannt und hatte die Leidenschaft und nötige Ausdauer, um so ein „schwieriges“ Produkt bekannt machen zu können.

​Was war in den ersten Jahren bei Kulmine deine größte Herausforderung?

Besonders schwierig war für mich der betriebswirtschaftliche Anteil, als ich die Produktion und Vermarktung von Rosi übernahm. Damit hatte ich keine Erfahrung und auch nicht viel Interesse daran. Entsprechend groß waren meine Fehler.

Ich bin in einem Unternehmer*innen-Haushalt groß geworden. Dadurch hatte ich mir schon immer Gedanken gemacht über Potenziale für Menschlichkeit in Unternehmen und wie ich es gerne machen würde. Manches war idealistisch, aber vieles konnte ich umsetzen und einiges ist bei Kulmine nun Respekt und liebevoller, als ich es mir damals vorstellen konnte.

Welche Reaktionen hast du anfangs, also in den 1990ern, auf das Thema bekommen, und wie hat sich das gewandelt?

Privat lebte ich schon damals umgeben von Menschen, die Natürlichkeit und Nachhaltigkeit wertschätzten und sich von meiner Begeisterung anstecken ließen. Geschäftlich und gesamtgesellschaftlich hat sich vor allem geändert, dass immer mehr Menschen schon mal von alternativen Menstruationsprodukten gehört haben. Die anderen reagieren nach wie vor erstmal mit vielen Fragezeichen.

Auf den ersten Messen, auf denen wir die Stoffbinden vorstellten, stießen wir häufig auf Ablehnung und Ekel. Im Laufe der Jahre wandelte sich die Reaktion bei einigen hin zu Interesse und Neugier, bei anderen blieb allerdings das Unverständnis, das sich teils auch in Aggressionen gegen die Hersteller*innen zeigt.

Fallen dir im Vergleich zwischen damals und heute Unterschiede oder Gemeinsamkeiten bei euren Kund*innen auf?

Gleich geblieben ist, dass unsere Kund*innen besonders offen für Verbesserungen sind und neugierig, intelligent, forschend und respektvoll. Hinzu gekommen sind mit der Zeit immer mehr Frauen und Männer, die Allergien oder Unverträglichkeiten gegen Inhaltsstoffe von Einwegprodukten entwickelt haben.

Anfangs war eine der größten Motivationen der Kulmine Kund*innen das Thema Gesundheit und Natürlichkeit. Heute finden die meisten Menschen zu Kulmine, weil sie auf der Suche nach wirklich nachhaltigen und plastikfreien Menstruationsprodukten sind.

Was waren deine größten Erfolge?

Es gibt eine Reihe von Ereignissen, die ich als Erfolg ansehe: Die Eröffnung des ersten Onlineshops, den ein Freund Kulmine geschenkt hat. Den Kontakt mit vielen unterstützenden Frauen und Männern, die ehrenamtlich bei Kulmine tätig waren. Dass wir nach langer Suche eine hervorragende Bio-Baumwolle gefunden haben. Außerdem sehe ich es als großen Erfolg meiner Arbeit an, Mitarbeiter*innen zu haben, die bei Kulmine glücklich sind.

Was hast du als Rückschlag empfunden?

Nach der kostspieligen und aufwändigen Markteinführung gab es eine Abmahnung von der Wäschefirma Triumph. Unsere Stoffbinden hießen damals DIE VIVAS, Triumph hatte ein Korsett namens VIVA. Sie klagten auf Unterlassung des Namens wegen Verwechslungsgefahr. Wir konnten uns keine langen Rechtsstreitigkeiten leisten und mussten den Namen und alle Druckerzeugnisse einstampfen. Danach war Kulmine finanziell angeschlagen und ich eine Weile lang geknickt.

Was motiviert dich, mit Kulmine weiterzumachen?

Ich bin so überzeugt von den positiven Auswirkungen der gänzlich plastik- und schadstofffreien Stoffbinden und Slipeinlagen, dass es sich in meinen Augen – egal in welcher Lage – immer gelohnt hat, weiterzumachen.

Was bedeutet Kulmine heute für dich?

Kulmine gibt mir die Möglichkeit, selbstbestimmt zu arbeiten. Ich kann Produkte herstellen und verkaufen, an die ich glaube. Es macht mich dankbar, das Leben der Kund*innen zu bereichern und den Planeten ein bisschen mehr schützen zu können.

Was bereitet dir am meisten Freude bei der Arbeit für Kulmine?

Immer wieder bestätigen die vielen Rückmeldungen von Kund*innen, von Hebammen und Menschen in Heilberufen die wundervollen Auswirkungen der Kulmines auf das Lebensgefühl und die Gesundheit von Frauen und manchmal auch Männern. Das Internet hat es uns ermöglicht, immer bekannter zu werden, und wir haben darüber viele Unterstützer*innen gefunden, mit denen ich viel Freude habe.

Was ist deiner Meinung nach das Wichtigste, das die Menschen durch Kulmine lernen können?

Die weiblichen Zyklen gleichen einem Wunder und können entsprechend wertgeschätzt werden. Statt Tabu und Scham gibt es Lebendigkeit und Kraft zu entdecken.

Der Traum von einer friedlicheren Welt – wie trägt Kulmine deiner Meinung nach dazu bei?

Kulmine bestätigt Natürlichkeit und einen liebevollen Umgang mit dem Körper, sich selbst und anderen Menschen. Damit kann Kulmine ein Vorbild für die Verbindung von Menschlichkeit und Ökologie sein.

Was wünschst du dir für die Zukunft von Kulmine?

Organisches Wachstum auf allen Ebenen.

Eine Spaßfrage zum Schluss: Kulmine erhält 20.000 Euro und diese sollen nur für Kulmine ausgegeben werden. Wofür entscheidest du dich?

Ich würde es in die Forschung zu Inkontinenzeinlagen aus 100 % natürlichen Materialien investieren.

Petra Sood
Petra Sood ist nicht nur die Seele von Kulmine, sondern auch ihre Gründerin. Sie führt das Unternehmen bis heute mit Haltung, Herz und Verstand. Nachhaltiges Leben ist für sie gelebte Selbstverständlichkeit - genauso selbstverständlich wie ihr gradliniger und inklusiver Feminismus.
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