Zwei Töchter und zwei verschiedene Geburtsorte

In meiner ersten Schwangerschaft hatte ich viele Ängste. Viele davon resultierten aus schlimmen Geburtsgeschichten, die ich bis dato kannte. Es waren einerseits Ängste vor unerträglichen Schmerzen während der Geburt,
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Wir freuen uns auch weiterhin über Einsendungen zu Geburtserfahrungen! Warum wir über Geburten schreiben, kannst du in diesem Beitrag von Petra nachlesen. Die Verfasserin des folgenden Beitrages hat zwei Töchter geboren, die eine schon vor einigen Jahren, die andere vor ein paar Monaten.

In meiner ersten Schwangerschaft hatte ich viele Ängste. Viele davon resultierten aus schlimmen Geburtsgeschichten, die ich bis dato kannte. Es waren einerseits Ängste vor unerträglichen Schmerzen während der Geburt, vor Komplikationen, vor Geburtsstillständen, schlechten Herztönen, sich zu früh lösenden Plazenten usw. Auf der anderen Seite fürchtete ich mich vor gefühllosen Geburtshelfer:innen, mir aufgedrängten medizinischen Eingriffen und dem Kontrollverlust in einer Krankenhausroutine. Ich fühlte mich in einer Zwickmühle: Einerseits „musste“ ich für mein Sicherheitsbedürfnis in ein Krankenhaus gehen, andererseits war es für mich unvorstellbar, dort auf mir völlig unvertraute Menschen zu treffen, ganz zu schweigen von allen Schreckensszenarien des Verlustes meiner Selbstbestimmung, die ich mir ausmalte.

Die Lösung

Meine Lösung lautete: Ich wollte mit einer Beleghebamme gebären, die ich bereits während der Schwangerschaftsvorsorge kennenlernen konnte und die mich dann unter der Geburt begleitete. Außerdem entschied ich mich für ein Krankenhaus, das mit niedriger Interventionsrate bei Geburten warb – auch wenn dies bedeutete, dass ich ans andere Ende der Stadt fahren musste. Gegen Ende der Schwangerschaft schrieb ich einen ausführlichen Geburtsplan, den ich mit meiner Hebamme besprach. Auch mit meinem Mann sprach ich ausführlich und immer wieder und ich wusste, dass er sich für mich einsetzen würde, falls ich es nicht mehr selbst könnte.

Die erste Geburt

Die Geburt begann mit einem Blasensprung zuhause, die ersten Wehen folgten nach wenigen Minuten. Etwa zwei Stunden nach Wehenbeginn trafen wir uns mit meiner Hebamme im Krankenhaus. Nach Untersuchungen, CTG-Schreiben und einer gut auszuhaltenden Zeit im warmen Badewasser folgte eine schnelle, komplikationsfreie Geburt im Kreißsaal. Keines meiner Schreckensszenarien war eingetreten und ich erlebte die Geburt als etwas Großes, Inspirierendes und tief prägendes. Ich war unglaublich glücklich und auch sofort sicher, dass ich dieses Wunder noch einmal erleben möchte.

Und dennoch gab es Dinge in diesem erlebten Klinikalltag, die ich nicht gut fand, die mich im Geburtslauf irritierten oder die ich der Tatsache, dass ich gerade unter einer riesigen Anstrengung und mit großen Schmerzen ein Menschlein geboren hatte, nicht angemessen fand: Dass ich während des CTGs liegen musste, was unter den Wehen unerträglich war; dass ich nicht im Wasser gebären konnte, weil alle Wannen im Kreißsaal belegt waren und ich nicht im Vorwehenzimmer bleiben durfte; dass ich mich unter Druck gesetzt fühlte, als die Austreibungsphase recht lang dauerte und meine Hebamme schon mal „Werkzeug“ (vermutlich für die Nabelschnur, vielleicht aber auch für einen Dammschnitt?) bereitlegte; dass mich nach der Geburt eine mir fremde Frauenärztin nähte und dabei unempathisch und grob war; dass wir sehr lange auf den Kinderarzt warten mussten, um das OK für die Heimfahrt zu erhalten.

In meine zweite Schwangerschaft ging ich mit ganz anderen Gefühlen. Ich freute mich auf die Geburt. Zunächst plante ich wieder eine Beleggeburt – dies scheiterte an den Krankenhäusern an meinem neuen Lebensort, die nicht mit freiberuflichen Hebammen zusammenarbeiten (worüber ich im Nachhinein zwar froh bin – an sich finde ich das aber für eine Großstadt unfassbar). Mit dieser Tatsache und den Erfahrungen aus der ersten Geburt stand sofort fest, dass damit ein Krankenhaus als Geburtsort für mich ausscheidet. Ich informierte mich zunächst über das Geburtshaus vor Ort, konnte aber zu der Hebamme dort kein rechtes Vertrauensverhältnis aufbauen.

Über die Beschäftigung mit der außerklinischen Geburt rückte dann sehr schnell das Thema Hausgeburt in meinen Fokus. Die Vorstellung, im Geburtsprozess nicht meine heimelige Umgebung verlassen zu müssen, während der Geburt nur von einer mir bis dahin gut vertrauten Person betreut zu werden und mein Baby in dieser friedlichen, schönen und gemütlichen Umgebung begrüßen zu können, entsprach sehr meinen Bedürfnissen. Zudem war ich durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema der außerklinischen Geburt überzeugt davon, dass der Geburtsverlauf entscheidend von äußeren Faktoren wie Ruhe, Vertrauen und Geborgenheit abhängt.

Ich fand eine Hebamme, die mir nicht nur persönlich sehr sympathisch war. Mit über 30 Jahren Berufserfahrung sowohl in der klinischen als auch der außerklinischen Geburtshilfe sowie einem breiten Wissensstand in vielen alternativen Medizinen vertraute ich ihr völlig und war ich mir sicher, dass sie auf jeden (Not)Fall adäquat und rechtzeitig reagieren würde. Sie vermittelte mir in den Schwangerschaftswochen ein großes Vertrauen in mich, meinen Körper und mein Baby. Ich fühlte mich sehr angenommen und genoss es, dass in den Terminen der Vorsorge neben körperlichen Themen auch immer die emotionalen Wellen der Schwangerschaft ihren Raum hatten.

Die zweite Geburt

Meine zweite Geburt begann wieder mit einem Blasensprung, auf den schnell heftige und häufige Wehen folgten. Mein Mann zündete Kerzen an und bereitete mir eine Badewanne vor. Ich legte Musik auf, schlüpfte in mein schönstes, noch passendes Kleid und legte Schmuck an. Ich bewegte mich noch ein wenig durch die Wohnung, bis die Wehen ganz schnell so stark wurden, dass ich ins warme Wasser wollte. Mein Mann informierte schon mal die Hebamme. Sie wollte wissen, ob ich mir schon wünsche, dass sie kommt. Zunächst verneinte ich das. Da im Wasser die Wehen nochmal an Fahrt aufnahmen, bat mein Mann sie dann doch, sich auf den Weg zu machen. Als sie ankam, wehte ich schon in kurzen Abständen und verspürte bereits den Drang mitzupressen. Sie setzte sich neben die Wanne, hörte einige Male kurz unter Wasser die Herztöne des Babys und begleitete mich durch die letzten Wehen. Sie lies mich das Köpfchen fühlen, als es bereits in der Scheide war und bekräftigte immer wieder, wie gut ich mit den Wehen arbeitete. Als ich meine Tochter schließlich gebar, erlebte ich das natürlich wie schon das erste Mal als schmerzhaftes und alles überrollendes Erlebnis – und gleichzeitig war es so unglaublich friedlich, ruhig, kraftvoll, unbeschreibbar, zauberhaft und schön. Meine Hebamme legte sie mir in den Arm und träufelte immer wieder warmes Wasser über uns, damit wir nicht auskühlen. Nach einigen Minuten des Durchatmens stand ich mit der Hilfe meines Mannes und meiner Hebamme mit meiner Tochter im Arm auf und ging in Handtücher eingehüllt ins Nachbarzimmer in unser großes Bett. Dort wurde nach einiger Zeit des Ankommens und Bewunderns die Kleine untersucht und gewogen und ich genäht. Meine Hebamme verabschiedete sich und wir kuschelten und schliefen irgendwann ein.

Ich bin mit beiden Geburten sehr glücklich. Ich konnte jeweils so gebären, wie ich es zum jeweiligen Zeitpunkt brauchte und wollte.
Dies war möglich, weil ich die Wahlfreiheit hatte und meine Entscheidungen mit viel Information und Wissen und nach meinen jeweiligen Bedürfnissen getroffen habe. Dies bedeutete oft auch einen gewissen Aufwand, wie zum Beispiel eine sehr ausführliche Suche und Entscheidung für eine bestimmte Hebamme, ein längerer Anfahrtsweg und die Übernahme der Rufbereitschaftskosten. Dafür konnte ich mit dem Gefühl von Sicherheit und Vertrauen in die Geburten gehen und erinnere mich an beide als kraftvolle, selbstbestimmte und naturgewaltige Erlebnisse.

Fremde Feder
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