Sind Alternativen aus Stoff ökologisch sinnvoll?

Heute gibt es eine Kulmine-Premiere! Denn dieser Beitrag ist der erste Gastbeitrag aus fremder Feder von einer Bloggerin! Sarah bloggt…
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Heute gibt es eine Kulmine-Premiere! Denn dieser Beitrag ist der erste Gastbeitrag aus fremder Feder von einer Bloggerin! Sarah bloggt auf Minimalwaste (minimalwaste.de) zu den Themen zero waste, Minimalismus und Fair Fashion. Nachdem sie von verschiedenen Seiten zu hören bekommen hatte, dass sich die Investition in Taschentücher aus Stoff nicht lohnt, hat sie sich hingesetzt, ihre Rechenkünste eingesetzt und überprüft, ob sie tatsächlich mehr Wasser und Energie verbrauchen als die Varianten zum Wegwerfen. Der Beitrag ist ursprünglich auf ihrem Blog erschienen und weil wir so begeistert von den Inhalten sind, haben wir bei Sarah angefragt, ob sie hier als Gastautorin einen kleinen Auftritt mit einem großen Text haben mag. Wir freuen uns über ihr Ja!

Zwei wichtige Begrifflichkeiten für den folgenden Text sind virtuelles Wasser und graue Energie.

Virtuelles Wasser: „Mit virtuelles bzw. latentes Wasser wird die Wassermenge bezeichnet, die nach einer umfassenden Bilanz als insgesamt tatsächlich für die Herstellung eines Produkts anfiel.“[5]

Graue Energie: „Als graue Energie wird die Energiemenge bezeichnet, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes benötigt wird. Dabei werden auch alle Vorprodukte bis zur Rohstoffgewinnung berücksichtigt und der Energieeinsatz aller angewandten Produktionsprozesse addiert.“[4]

Damit wären schon mal die Begrifflichkeiten geklärt. Bei der Herstellung von beispielsweise Stofftaschentüchern wird also viel Wasser und Energie verwendet. Zuerst muss nun mal der Rohstoff her, welcher allein schon Wasser und Energie für Anbau und Verarbeitung frisst. Dann kommt später die Fertigung des Produktes und letztlich noch die Verpackung hinzu. All das frisst für jedes neue Produkt immer wieder Wasser, Energie und andere Ressource wie Erdöl (für die Plastikverpackung). Es scheint also, dass Produkte, die nur einmal produziert werden müssen, eine schlaue Lösung sind.

Ich musste für diesen Artikel wirklich sehr lange recherchieren und konnte leider trotzdem nichts zu den Ökobilanzen der fertigen Produkte finden. Aber ich denke man kann allein durch Berechnung der Ökobilanz für die verwendeten Rohstoffe und das Waschen eine gute Verhältnismäßigkeit darstellen.

Das Papiertaschentuch unter der Lupe

Verbrauch eines herkömmlichen Taschentuchs in der Herstellung:

  • Für die Herstellung von 1 kg Papier werden 750 l Wasser benötigt [5].
  • Ebenso werden für 1 kg Papier 2,5 kWh an Energie benötigt [7].
  • Ein Tempo-Taschentuch wiegt 2,6 g [8] (das nehmen wir als ungefähren Wert, kann natürlich je Hersteller etwas abweichen).

Ein einzelnes Taschentuch verbraucht also nur 0,26 % des Wassers und des Stroms:
1000 g = 100 % ~> 1 g = 0,1 % ~> 2,6 g = 0,26 %

Womit ich einen Wasserverbrauch von 1,95 l und einen Stromverbrauch von 0,0065 kWh pro Papiertaschentuch erhalte:

  • 750 l * 0,0026 = 1,95 l
  • 2,5 kWh *0,0026 = 0,0065 kWh
Verbrauch
Herstellung
Verbrauch pro Jahr (bei einem Taschentuch pro Tag – 365 Tage)
Wasser1,95 l​711,75 l
Strom​0,0065 kWh2,3725 kWh

Alternativen aus Stoff: Das Stofftaschentuch unter der Lupe

Was ich über Stofftaschentücher herausgefunden habe, ist leider nicht so viel, wie es mir lieb gewesen wäre. Zu der Herstellung von Baumwolle an sich habe ich aber einiges gefunden, womit ich rechnen konnte:

  • Eines von unseren Stofftaschentüchern wiegt 11 g -> 0,011 kg
  • „Bei der Aufarbeitung der Baumwolle gehen nur rund zehn Prozent des Rohgewichtes verloren.“ [1]
  • Außerdem habe ich herausgefunden, dass pro 1 kg Baumwolle im Durchschnitt 11.000 l Wasser verbraucht werden [2]. Puh, ganz schön viel 8O.
  • Für 1 kg Leinen oder Hanf hingegen werden durchschnittlich nur 2.500 l Wasser verbraucht [4] (was, finde ich, immer noch ziemlich viel ist).
  • Ebenso wird zur Herstellung von 1 kg Baumwolle 42,9 MJ ( = 11,92 kWh) Energie benötigt (1 kWh = 3,6 MJ) [6].

Verbrauch eines Stofftaschentuchs aus Baumwolle in der Herstellung:

Für ein 11 g Stofftaschentuch werden also ca. 12,2 g (0,012 kg) Baumwolle gebraucht:
11 g = 90 % ~> 1,2 g = 10 % ~> 12,2 g = 100 %

Für diese 12,2 g werden wiederum 134,2 l Wasser verbraucht (wobei natürlich auch noch Wasser für die Fertigung und Verpackung des Taschentuchs an sich anfällt):
1000 g = 11.000 l ~> 1 g = 11 l ~> 12,2 g = 134,2 l

Und ebenso 0,145 kWh Strom (ebenso leider ohne Fertigung und Verpackung, da ich dazu keine Informationen finden konnte):

1000 g = 11,92 kWh ~> 1 g = 0,01192 kWh ~> 12,2 g = 0,145 kWh

Verbrauch bei jedem Waschgang

  • Für weiße Wäsche wie Handtücher, Stoffservietten, Stofftaschentücher und Putzlappen verwenden wir das Waschprogramm Koch- / Buntwäsche bei 60° mit einem Wasserverbrauch von 72 l (0,072 m³) und einem Stromverbrauch von 1,5 kWh.
  • Wir haben zusätzlich ca. 26 Waschgänge im Jahr, da wir unsere weiße Wäsche alle zwei Wochen waschen.
  • Ich rechne für eine Volllast von 7 kg, da alle Angaben aus der Bedienungsanleitung unserer Waschmaschine für Volllast ausgelegt sind.

Für eine Beladung der Waschmaschine mit 7 kg erhalte ich, dass eine Stoffserviette weit unter 1 % der gesamten Wäschelast einnimmt, nämlich nur 0,16 %:
7 kg = 100 % ~> 0,001 kg = 0,014 % ~> 0,011 kg = 0,16 %.

Das heißt, ein einzelnes Stofftaschentuch braucht bei einem Waschgang auch nur 0,16 % des Wassers (0,115 l) und Stroms (0,0024 kWh):

  • 72 l * 0,0016 = 0,115 l
  • 1,5 kWh * 0,0016 = 0,0024 kWh
Verbrauch
Herstellung
Verbrauch pro WaschgangVerbrauch pro Jahr (26 Waschgänge)
Wasser134,2 l0,115 l2,99 l
Strom​0,145 kWh​0,0024 kWh0,0624 kWh

Was ist also besser für die Ökobilanz?

In der Herstellung verbraucht das aus Baumwolle gefertigte Stofftaschentuch also natürlich viel mehr Ressourcen als das Papiertaschentuch:

Verbrauch Herstellung Papiertaschentuch​Verbrauch Herstellung Stofftaschentuch​
Wasser​1,95 l134,2 l​​
Strom​0,0065 kWh​​0,145 kWh

Aber darum geht es ja in erster Linie nicht. Ein Stofftaschentuch kann ja wesentlich länger verwendet werden, durchaus einige Jahre. Was erhalten wir also, wenn wir das alles mal auf 5 und 10 Jahre hochrechnen? Dazu muss noch klar sein, dass wenn ich nur alle 2 Wochen wasche, 14 Stofftaschentücher benötigt werden, wenn ich jeden Tag eines benutze. Ich nehme also den Verbrauch bei der Herstellung mal 14 und ebenso den Verbrauch pro Waschgang pro Taschentuch mal 14, da ja auch jedes Mal diese 14 Stofftaschentücher gewaschen werden müssen und nicht nur eines. Für die Papiertaschentücher ändert sich nichts. Außerdem habe ich diesmal mehr gerundet (wenn möglich), damit es anschaulicher ist und du besser vergleichen kannst :).

Verbrauch Herstellung für 14 Stofftaschentücher​​Verbrauch pro Waschgang für 14 Stofftaschentücher​​Verbrauch pro Jahr: 26 Waschgänge​​​Verbrauch 5 Jahre: 130 Waschgänge​Verbrauch 10 Jahre: 260 Waschgänge​
Wasser​​1893 l​1,6 l​1935 l​2101 l​2309 l
Strom​2 kWh​0,0336 kWh2,9 kWh6,4 kWh10,7 kW
Verbrauch
Herstellung 1 Papiertaschentuch
​​Verbrauch pro Jahr:
365 Tage
Verbrauch 5 Jahre:
1825 Tage
Verbrauch 10 Jahre:
3650 Tage
Wasser​​1,95 l​​711,75 l3558 l​7117 l
Strom​0,0065 kWh​2,3725 kWh​11,9 kWh​23,7 kWh

Also überholen die Papiertaschentücher recht schnell, was den Verbrauch an Wasser und vor allem Strom angeht. Ich habe sogar überschlagen, dass die Stofftaschentücher ab ca. 2,5 Jahren schon ökologischer sind. Natürlich gilt: Je länger du sie verwendest, desto besser wird die Ökobilanz! Zudem sind in dieser Rechnung keinerlei Verpackungen mit einberechnet, was das ganze Bild noch einmal erheblich verschärfen würde. Plastik verbraucht nämlich enorm viel Wasser und Energie in der Herstellung. Du musst dir nur kurz überlegen, wie viel Umverpackung mit üblichen Papiertaschentüchern kommt im Vergleich zu den vielleicht einmal in Folie eingepackten Stofftaschentüchern (sei cleverer als ich und kauf sie nicht auf Amazon, sondern in einem Shop, der ohne Plastikverpackungen arbeitet ;)). Das Ganze wird nochmal besser, wenn die Stofftaschentücher nicht aus Baumwolle, sondern aus Leinen, Hanf oder einem Gemisch mit Baumwolle hergestellt sind. Gibt es sowas?

Ich hoffe, das Ganze war nicht zu trocken und theoretisch und selbst wenn, hast du nun ein gutes Argument in der Hand gegen Menschen, die diese Behauptungen aufstellen. Falls du mal irgendwo über Daten bezüglich virtuelles Wasser oder grauer Energie stolpern solltest, würde ich mich über Infos freuen.


Hier findest du weitere Infos:

  1. Wikipedia: Baumwolle (de.wikipedia.org)
  2. Wikipedia: Flachsfaser (de.wikipedia.org)
  3. Wikipedia: Graue Energie (de.wikipedia.org)
  4. Wikipedia: Virtuelles Wasser (de.wikipedia.org)
  5. Ökobilanz von Lenzing LYOCELL: Eine Stoff- und Energiebilanz (lenzing.com)
  6. Wikipedia: Papier, Umweltaspekte und Recycling (de.wikipedia.org)
  7. www.tempo.net: FAQ (tempo-world.com)
Fremde Feder
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